Ventanas de Güimar - die Zweit-Begehung

Begonnen von picass, 05.12.2024, 16:55:57 CET

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picass

Anfang Dezember 2024 hatte ich meinen zweiten Gang dieser Tour der ,,Fenster von Güimar" auf Teneriffa.
Während der Erste von Ost nach West führte – also vom zweiten Sendemast mit dem Einstieg nahe des bekannten gelben Baggers durch alle 11 Tunnel, dann die 3 km der Wasserrinne längs und über die Forststraße runter zum Ende der Asphaltierung der Straße ,,Camino las Coloradas", startete ich heuer in umgekehrter Richtung an dem genannten Asphaltende, an dem ich auch wieder den Leihwagen geparkt hatte. Beabsichtigt war von vornherein, nicht die ganze Strecke durch alle Tunnel zu gehen, sondern irgendwo in der Mitte der Tunneltour zu retournieren. Der Hauptgrund für diese Wahl war ganz überwiegend meine Einschätzung aus der Erstbegehung, dass die Strecken auf der 3-km-Wa-Rinne und von dort der Weg auf der Forstpiste runter ins Tal mit Blick auf die Stadt Güimar und das Meer die mit Abstand schönsten auf der gesamten Tour waren. Das Vergnügen dieser schönen Abschnitte wollte ich nun gleich zweimal genießen.

Der Genuss nach dem Start hielt sich zunächst in Grenzen, denn 250 Höhenmeter mal so eben als Vorspann auf einer sehr holprigen Forstpiste und dann noch im kräftigen Sonnenschein machen schon was. Da bekommt das Herz – freundlich formuliert – Beschäftigung! Der sich anschließende 3-km-Wa-Rinnen-Weg bereitete dagegen Spass – mit einer Ausnahme (später). Dazu trug auch bei, dass ich diesmal beide Gehstöcke verwendete – beim Erstgang war es nur einer. Aber der Zweite ermöglichte dann doch Vorteile beim Balancieren auf dem Rinnenrand, und sei es auch nur, dass der Stock auf der Bergseite mit rascher Berührung der Felswand ein flüchtiges, seitliches Abstützen erbrachte. Der Stock wurde also häufig gar nicht fest aufgesetzt, und ebenso häufig wurde nicht mal hingeschaut, wo der Kontakt denn sein würde....., sondern einfach nur zur Berg-/ Felsseite hin ausgefahren und das reichte für feines Balancieren.

Der 500 Meter lange Tunnel 10 führte wieder gute Luft. Mein spezielles ,,Messgerät" für CO² - siehe Beitrag der Erstbegehung: eine einen Meter lange Papierschlange aus Toilettenpapier - zeigte wieder guten Luftzug am Tunneleingang. Überhaupt lässt sich dieser T10 gut begehen, gibt es doch nur genau in der Mitte wenige Meter, an denen man nicht eines der beiden T-Enden sehen kann. Hinter dem Tunnel 9 beginnen dann die Öffnungen in den Felswänden, welche als ,,Fenster von Güimar" bekannt sind. Das hat mich diesmal eher weniger beeindruckt. Nicht, weil es nicht grandiose Ausblicke bieten würde, sondern weil mein Hauptaugenmerk bei diesem zweiten Gang schlicht auf Anderes gerichtet war. So interessierte mich mehr die Gangbarkeit der einzelnen Abschnitte, die Messung der Laufzeiten und auch das Gespräch, rsp. die Kontakte mit den zufällig dort angetroffenen anderen Wanderern.

Aus diesen Gründen und auch, um die gesamte Zeit in überschaubarem Rahmen zu halten, begnügte ich mich von diesem ,,Fenster"-Punkt aus mit dem Begehen der beiden nächsten Tunnel, also der T7 und T6. Danach gabs in einer 3 min Pause ein gepelltes Ei, ein paar Schlucke Wasser und schon gings retour. Aber wie! Blicke in die Landschaft hatte ich mir auf dieser Rücktour so gut wie nicht mehr erlaubt, auch keine Pausen mehr, keine Fotos, nix mehr außer Konzentration auf fixes Vorwärtskommen. Mag ungewöhnlich klingen, aber mir hats Spass gemacht. Die für die jeweiligen Abschnitte beim Hinlauf benötigten Zeiten wurden beim Rücklauf um ein Dritttel, teils um die Hälfte reduziert. Die 3km-Wa-Ri-Tour verlief teils im Sauseschritt – wörtlich (!), was auch für das Balancieren auf dem Rinnenrand galt.

Langsam ging es nur auf einem Abschnitt voran, welcher an dieser 3km-Wa-Ri-Tour lag und zwar auf dem letzten Kilometer. Dort ist die Rinne weder gangbar noch überhaupt sichtbar. Sie ist komplett von der Natur in Form von Erdverschüttungen und Busch-Anwachsungen vereinnamt und tatsächlich den Blicken entzogen. Stattdessen gehts dort durch die Büsche im Abstand von mehreren Metern zum vermuteten Rinnenverlauf. Die Büsche sind meistens harmlos, aber nur meistens. An einer Stelle muss man/frau durch eine riesige Ansammlung von Brombeer-Gewächsen. Diese sind – wie so manche Pflanzen, z.B. Farne – auf Teneriffa weit größer als hiesige hier in D. Tiefes Bücken ist die Devise, weil es nur eine Art Tunnel gibt. Der ist schmal, niedrig, auch auf dem Boden verlaufen querende Ranken und getragene Hüte werden mehrfach vom Kopf gerissen. Zweimal musste ich verrankte Ranken aus dem Hemd hinterm Kopf raus rupfen. Wer da ohne Hut/Helm versucht...., wird es bereuen. Für das Begehen dieses Streckenabschnittes habe ich noch einen Spezial-Tipp, später.

Einige Ereignisse während meiner zweiten Begehung zeigen auf, dass diese Strecke kein einfacher Wanderpfad ist, sondern dass Gefahren real sind. Da waren zunächst Begegnungen mit anderern Touristen, u.a. mit zwei Zweier-Gruppen von gestandenen Mannsbildern. Alle vier Wanderer hatten keine ausreichende Kenntnisse über den Verlauf der Strecke – z.B., dass es vor dem Tunnel10 einen Abzweig in einen anderen kurzen Tunnel gibt, welcher dann auf eine weitere Wegverzweigung und einen vermeintlichen Rückweg südlich außerhalb der bisherigen Strecke führt. Weder die Verzweigungen noch der Zustand der Strecken dahinter waren denen bekannt. Dann die Ausrüstung der Wanderer: kein Helm und einer sogar auch ohne Mütze! Das Begehen ohne Helm halte ich für ausgemachten Leichtsinn und das sage ich auch, obwohl ich selbst beim ersten Male ohne Helm gelaufen war. Den hatte ich schlicht vergessen und nur die Mütze und viele Zufälle bewahrten vor Schlimmsten. Das war zwar noch mal ,,gut gegangen" mit nur leichten ,,Einschlägen" am Kopf, aber das hätte auch anders ausgehen können.
Gefährlich sind beim Begehen der Tunnel – auch wenn es kurios klingt – nicht die Stellen, an denen man sich offenkundig tief bücken muss, sondern diejenigen, an denen ebenso offenkundig viel Platz zur Seite und vor allem nach oben besteht. Da streckt man sich erfreut, marschiert munter vor, denkt freudig an alles Mögliche, manchmal sogar an den eventuell nächsten Felsklotz unter der Decke, aber eben nur manchmal. Die scheinbaren Entspannungsphasen weichen die Konzentration auf und Zack !

Berichten muss oder möchte ich auch, dass ich auf dieser Tour gestürzt war und auch dies hätte anders ausgehen können. Nach dem Start mit dem Anstieg über die Forstpiste und ca. 1 km nach Erreichen der Wasser-Rinne wollte ich an einer Stelle mal wieder den Laufweg ändern, von der Kante der Wa-Rinne runter steigen und danach neben dieser lang laufen. Beim Absteigen von der Rinne passierte es und ich weiß immer noch nicht, warum. Jedenfalls war ich auf dem schlucht-seitigen Rinnenrand in die Knie gegangen und als ich den linken Fuß unten neben der Rinne aufsetzte, rutsche der weg und ich schlug – nur halbwegs kontrolliert – der Länge nach hin. Der Kopf landete mit der linken Seite auf dem steinigen Boden. Freundlicherweise fiel ich quasi direkt neben die und parallel zur Rinne und nicht auf den steilen Hang. Auch da hatte ich Glück: am Kopf gabs nur leichte Verschmutzung, aber keinerei Verletzung. Außer Erschrecken, ziemlicher Verdutzung und Sich-Wundern über den Grund für diesen Ausrutscher war weiter nichts. Aber der Konjunktiv gilt natürlich: ,,hätte...." Diese Strecke ist beileibe nicht nur schön!

Ein diametral entgegen gesetztes Erlebnis gabs aber auch. Gleich nach dem Start gings ja über 250 Meter recht steil die Forstpiste hoch und die Belastung des Körpers wurde immer spürbarer und bewusster. Schon bald meldete sich mein Herz und die Geschwindigkeit seines Klopfens schwoll rapide an. Das verursachte aber keine Sorgen. Im Gegenteil drängten sich mir die Empfindung und der Gedanke auf, dass mein Herz Gewinner dieser Wanderung sein würde. In den letzten Monaten und Wochen hatte ich keine sportlichen Herausforderungen gehabt, eigentlich saß ich mehr vom dem Computer und programmierte. In diesem Urlaub war es nach nur zwei voran gegangenen Wanderungen erst die dritte Belastungsprobe. Das Klopfen war bemerkenswert. Aber das Gefühl war eindeutig: alles blieb im Rahmen der Belastung und dem Herzen gings gut. Ist so selbstverständlich nicht, wenn man 78 Jahre alt ist und deshalb wurde dies zu einer ganz feinen Erfahrung auf dieser Tour.

Der schon angekündigte Tipp: eine große, stabile Rosenschere mitnehmen, dazu einen robusten Handschuh aus festem Material, z.B. Leder zum Festhalten der zu schneidenden Brombeerranken. Diese wachsen irre schnell und werden noch irrer lang. Wer das Pech haben sollte, an der besagten Stelle anzukommen und es hatte sich länger niemand der anderen Wanderer mit einem geeigneten Werkzeug den Weg wenigstens einigermaßen freigeschnitten, der darf wählen: entweder derbe, blutige Verletzungen oder Rückmarsch. Diese Stelle zählt definitiv zu den brisanten, um nicht zu sagen: gefährlichen der gesamten Tour.

Ein weiterer Tipp: es gibt ja diverse On-/oder Offline-Wanderkarten, gerne auch gegen gutes Geld (z.B. Rother). Heuer hatte ich eine neue Wa-Karte genutzt, die kostenlose ,,MAPY.CZ" . Sie stammt von der Firma ,,Seznam" aus Prag. Deren Daten beruhen im Wesentlichen auf Daten aus ,,OpenStreetMap". Das Datenmaterial umfasst daher weite Teile der Welt und eben auch Teneriffa. Der Detail-Grad dieser Karten ist sehr hoch, jeder kleinste Wanderweg war erkennbar. Die Standortbestimmung funktionierte sehr rasch und ließ keine Zweifel über die aktuelle Position zu. Und eines war geradezu sensationell: dies war die einzige von vielen getesteten und/oder gekauften Karten – seien es ,,elektronische" oder die papiernen Klassiker - , welche ALLE Tunnel und die Strecken dazwischen auf dieser Route ,,Ventanas Güimar" abgebildet hat.

Mir hat auch dieser zweite Gang wieder viel Freude bereitet. Das Bewusstsein über das Bewältigen dieser Strecken war mir die Mühen und Gefahren wert. Diese außergewöhnliche Wanderung wird mir noch lange in freudvoller Erinnerung bleiben.


Die notierten Zeiten für die einzelnen Abschnitte:

1) Forstpiste - vom Ende der Asphaltstraße ,,Camino las Coloradas" bis zum Erreichen der Wasserrinne: hin: 36 min  // zurück: 26 min
2) Wasserrinne über ca. 3 km vom Erreichen bis zur Kehre am Viadukt vor Tunnel 11: hin: 52 min  // zurück: 31 min
3) Tunnel 10: 7 min  // Tunnel 9: 5 min
4) Tunnel-Strecke vom Viadukt vor T11 bis Tunnel 6: hin: 52 min  // zurück: 35 min
5) Wanderung hin: 2h:33m  // zurück 1h:37 m  // gesamt ohne Pausen: 3h:51m
Der gesamte Zeitbedarf incl. 19 min Pausen betrug 4h:10min

Zu den Fotos:
Bild 1: Bergpanorama // Bild 2: Startpunkt der Wasserrinne // Bild 3: Wa-Ri am Hang, auch Sturzstelle // Bild 4: Wa-Ri am Hang kurz vor Erreichen der Tunnelstrecke // Bild 5: Blick in Seitental nahe den ,,Fenstern" // Bild 6: Das lotrecht in die Tiefe führende Loch im Weg ließ maximal 20 cm ,,Weg"-Breite übrig. Besser, da gleich mit einem Meter-Satz rüber zu springen!

Grüße, picass
bergpanorama.jpgstartpunkt wasserrinne.jpgwa-rinne hanglage.jpgwa-ri hang.jpgfelswände.jpg

picass

Das sechste Bild hier nach gereicht.
Grüße, picass
loch im weg.jpg

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